jonathan ka vonseiten kunst art

Jonathan Ka vonSeiten

Rotwein, Gurke, Zigarettenasche und Jägermeister auf Karton

Der Wiener Künstler spricht über seine Arbeiten aus der Serie „Nightshifts“ und wie diese entstanden sind.

Technotitanics: Rundgang 2020 Akademie der bildenden Künste Wien Eröffnungsparty
Rotwein, Orangensaft, Acryl und Bleistift auf Karton, Club Titanic, Wien 2020

Wie bist du zur Kunst gekommen?

Ich denke man kommt nicht zur Kunst – und nein, ich sag jetzt nicht dasz die Kunst zu einem kommt, platter ginge es ja nicht – ich denke Kunst ist in uns. Steckt da irgendwo, immer zwischen den Zellen und Synapsen. Die kommt dann raus, besonders wenn man sie, metaphorisch gesprochen, eh immer wieder kitzelt. Vielleicht Schaffensdrang. Vielleicht auch Schaffenszwang – gilt beides.

Life is a Dangerous Thing | Stay she said: Red Wine, Pencil, Cigarette Ash, Crayon and Blood Splashes on Cardboard,, Bukowski Bar and an Accident,

Und wie entstehen deine Bilder?

Ein Rezept gibt es nicht, nur Momente. Alle Arbeiten der Serie „Nightshifts“ entstehen dort, wo die Menschen zusammenkommen, in Bars, in Clubs, bei Konzerten – und sie bilden diese Momente auch ab. Es ist wie Langzeitfotografie, nur ohne Klarheit, selbst wenn wer ganz lange ganz still hält. Die Striche sind für mich die Klangfarbe dieser Momente. Soundwaves. In ruhigen Situationen mehr formhaft, in Clubs oder wenn einem der RocknRoll erschlägt wild und zersprungen. Im Endeffekt entsteht dann doch wieder etwas wie eine Langzeitbelichtung, aber mit den Fragmenten in der Zeit vermischt. In manchen Arbeiten stehen Menschen nebeneinander, die sich doch nur um eine Viertelstunde verpasst hatten – blosz weil sie hinterher den selben Raum einnehmen.

Überhaupt sind die Arbeiten der „Nightshifts“ Serie sehr dokumentierend und auch Ortsbezogen. Die Materie – bis auf generellen Utensilien wie Block und Bleistift  – kommen ebenfalls von der Location. Der Rotwein der Bar. Die Asche der gerauchten Stummel davor. Die Spucke des Extrovertierten, der unbedingt auch was beitragen möchte. Schnapssorten und Rosenblätter, aufs Blatt geschmiert. Viel Rotwein Einsatz. Wusztest du, dasz jede Rebsorte ihren eigenen Farbton erzeugt? Am Ende werden die meisten braun, aber hin und wieder erwischt man einen, der seinen Grundton behält. Hat viel Lokalkolorit.

Und dann macht man eben. In Kunst steckt auch immer Handwerk, der Perfektionismus, die Freude wenn ein paar Linien so richtig geil flieszen. Aber auch Loslassen, denn gerade bei den „Nightshifts“ geht es viel auch darum, dasz die Menschen in den Bars, je später es wird, immer mehr zu sich selbst zurückkehren und viele Masken fallen lassen. Siehst du, schon wieder ein Zyklus. Und dabei mach ich auch gerne mit.

Fünf-Uhr-Tee: Bleistift, Crayons, Marker, Rotwein, Gurke, Zigarettenasche und Jägermeister auf Karton,
Format: A4, Bukowski Bar, 1070 Wien 2018

Auf deiner Website schreibst du: „Wir leben. Wir haben. Wir spülen es runter.“ – Wie dürfen wir das verstehen?

Das trifft auf uns alle zu. Das Leben ist doch ein wiederkehrender Zyklus, in dem wir immer etwas haben. Gegenstände. Umstände. Vorstellungen. Emotionen. Ganz wienerisch „Was hast‘ denn?“ Und all diese Dinge spülen wir dann runter, weil sie uns im Endeffekt nur wieder zu dem Punkt bringen, an den wir vergessen wollen. Das klingt alltags-pessimistisch, aber ist keineswegs so gemeint – Es ist doch toll zu vergessen. Befreiend. Und man kann bekanntes neu erleben. Wie wir alle, immer im Kreis.

Summer of Love | Quartierbier: Red Wine, Crayons, Pencil, Cigarette Ash, Rest of various Drinks on Cardboard,
MQ Wien, 2019

Willst du sonst noch etwas loswerden?

Eigentlich immer vieles, aber man überfordert ja heutzutage so schnell. Ich finde, man sollte mindestens ein Ding im Leben tun, das darauf abzielt, etwas Groszes zu verändern, zu verbessern. Nicht nur innerhalb des eigenen Horizont oder für einen selbst, sondern etwas wirklich wichtiges. Die Welt retten, zumindest eben ein Stück davon. Was genau, da hat man sozusagen das ganze Buffet des Abgrunds vor sich, aber man soll sich ein kleines Teller voll davon nehmen und es … umkochen. Okay, die ganze Erzählungsebene kippt gerade etwas, aber ich denke man kann erahnen was ich zwischen den Zeilen steht. Ein Thema, mindestens. Bei mir geht das viel in Richtung Erhalt der Biosphäre, Ökosysteme retten, natürlich ein wenig Klimaaktivismus und Unterstützung von Wissenschaft in der Gesellschaft, was ja eigentlich der einzige Weg ist, der uns Menschen seit Jahrhunderten immer wieder aus der Scheisze reitet, so salopp gesagt.

Und wenn jede und jeder eine Sache tut, dann geht da viel weiter, von Menschenrechten bis hin zur Rettung der Wale. Diesen Appell möchte ich loswerden. Love this planet, pick your part. Heute, jetzt, losgeht‘s.